Als ich vom Rücktritt von Papst Benedikt XVI. erfuhr, war ich zunächst geschockt. Ihn in seiner Menschlichkeit und seinem Charisma als Papst nicht mehr erleben zu können, erschien mir in diesem Augenblick unvorstellbar. Darüber hinaus wurde mir bewusst, dass er als einer der größten Theologen unserer Zeit entscheidend unser christliches Denken geprägt hat und wichtige Impulse für den interreligiösen Dialog mit dem Judentum und dem Islam gegeben hat, auch wenn einige Christen enttäuscht sind, dass die ökumenischen Gespräche mit den evangelischen Christen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätten. Das wurde nach seiner Deutschlandreise 2011, die für mich ein großes Erlebnis war, besonders bedauert. Andererseits hat er mit dem Besuch des Augustinerklosters in Erfurt, in dem Martin Luther als Mönch gelebt hat, wichtige Akzente gesetzt und die Bedeutung Martin Luthers im Ringen um den rechten Glauben besonders gewürdigt. Seinen Rücktritt sehe ich als demutsvolle, aber klare Entscheidung an, die er, wie wir wissen, in aller Freiheit und nach langer Gewissensprüfung getroffen hat, da er glaubt, sein schweres Amt im Bewusstsein um seine nachlassenden Kräfte nicht mehr ausüben zu können. Sosehr wir alle seinen Entschluss bedauern, sosehr ist diesem Respekt und Verständnis entgegen zu bringen. Ich glaube, dass sein Wirken auch weiterhin in der Welt erfahrbar bleibt, und wir in großer Dankbarkeit auf das Pontifikat dieses Papstes zurückblicken dürfen. Für sein weiteres Leben wünsche ich ihm Gottes reichen Segen.
Dr. Rudolf Giertler
Präsident der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands
Erfurt, den 15. Feb. 2013